Was S/4HANA technisch von SAP ECC unterscheidet – jenseits von SE16H, BP und WLF_IDOC

Wenn von SAP S/4HANA die Rede ist, hört man oft dieselben Begriffe: SE16H, BP, WLF_IDOC. Doch diese Transaktionen gibt es – teils je nach Release – auch in ECC. Und selbst vielzitierte Datenstrukturen wie MATDOC bedeuten nicht, dass klassische Tabellen wie MSEG oder MKPF verschwunden wären – sie existieren als Views weiterhin und werden mit Daten befüllt, etwa für Kompatibilität mit BAPIs oder Reports.

Der wahre Unterschied zwischen ECC und S/4HANA liegt nicht an der Oberfläche, sondern im Fundament: Architektur, Datenmodell, Performanceprinzipien und Systemlogik.


1. Der HANA-Zwang – aber nur in S/4HANA systemisch genutzt

S/4HANA läuft ausschließlich auf der SAP HANA-Datenbank – einer spaltenbasierten, In-Memory-Datenbank mit extrem schneller Datenverarbeitung und hoher Komprimierung.

Aber:
Auch ECC kann auf HANA betrieben werden (Suite on HANA). Dabei bleibt das zugrunde liegende Datenmodell unangetastet. Es ist technisch zwar schneller – aber keine funktionale oder strukturelle Modernisierung.

S/4HANA dagegen nutzt HANA nicht nur als Speicher, sondern als Verarbeitungsplattform:

  • Viele Tabellen werden ersetzt oder verschmolzen
  • Redundanzen entfallen
  • Abfragen laufen direkt auf der Datenbank, nicht mehr im ABAP-Stack

→ Nur S/4HANA nutzt HANA vollständig aus – ECC auf HANA bleibt ein Zwischenschritt.


2. Vereinfachtes Datenmodell & Prozesslogik

S/4HANA verfolgt das Ziel, Datenmodelle zu verschlanken und Prozesslogik zu harmonisieren.

Beispiele:

  • ACDOCA ersetzt klassische FI-/CO-/AA-Tabellen wie BSEG, COEP, ANEP usw.
  • MATDOC dient als zentrales Datenobjekt für Materialbewegungen. MSEG/MKPF sind in vielen Fällen nur noch kompatible Views.
  • Business Partner (BP) ersetzt nicht nur Debitoren und Kreditoren, sondern integriert die Pflege dieser Stammdaten in eine einheitliche Logik.

Auch in der Prozesslogik finden tiefgreifende Änderungen statt:

  • MRP:
    Die klassische Transaktion MD01 ist weiterhin vorhanden. Zusätzlich bietet S/4HANA mit MD01N (MRP Live) eine HANA-basierte Planungslogik:
    → Für geeignete Materialien erfolgt der MRP-Lauf direkt auf Datenbankebene – ohne temporäre Tabellen, schneller, analytisch auswertbar. Beide Varianten existieren parallel, je nach Konfiguration.
  • Bezugsquellenfindung:
    Statt starrer Source Lists kombiniert S/4HANA Einkaufsinfosätze, Verträge und Quellregeln kontextbasiert – oft automatisch während MRP oder BANF-Erstellung.

→ Die Datenmodellverschlankung bedeutet nicht weniger Funktion, sondern weniger technische Komplexität – bei mehr Integration.


3. Code Pushdown: Logik in der Datenbank

Ein zentrales Prinzip in S/4HANA:

„Bring the logic to the data.“

Was in ECC klassisch über ABAP-Schleifen, interne Tabellen und SELECTs lief, wird nun in CDS Views, AMDPs oder HANA Procedures abgebildet.

Vorteile:

  • Verarbeitung dort, wo die Daten liegen
  • Weniger Datenbewegung
  • Deutlich höhere Geschwindigkeit

Eigene PoC-Erfahrung:
In mehreren Projekten ließ sich durch gezielten Pushdown bis zu 50 % Performancegewinn erzielen – ohne Hardwareänderung.

Aber:

Wenn Z-Coding dominiert, mit SELECT-LOOPs, Form-Routinen und unstrukturiertem Altcode, verpufft das Potenzial. Die Plattform kann nur so schnell sein, wie der Code es erlaubt.


4. Auflösung klassischer Modulsilos

S/4HANA durchbricht die Grenzen zwischen Modulen:

  • FI & CO fließen im Universal Journal (ACDOCA) zusammen
  • Stammdatenlogik wird zentral über BP geregelt
  • MM, SD, LE teilen sich harmonisierte Datenstrukturen
  • Reporting und Analyse basieren zunehmend auf modulübergreifenden CDS Views

→ Die Trennung in „Modulberater“ und „technische Entwickler“ verschwimmt. Gefragt ist Systemverständnis statt Transaktionswissen.


5. API-zentrierte, Fiori-native Architektur

S/4HANA wird als Digital Core gedacht – nicht nur als Transaktionssystem.

  • REST-/OData-APIs sind Standard
  • SAPUI5/Fiori ist vom Backend entkoppelt
  • Externe Apps, Cloudlösungen und mobile Endgeräte kommunizieren über definierte Schnittstellen

→ Das System ist vorbereitet auf Integrationen, Cloud-Services, BTP-Anbindungen – und eröffnet neue Architekturräume.


Fazit: Architektur nutzen – nicht nur upgraden

S/4HANA ist nicht einfach ein ECC in neuem Gewand. Es ist ein neu konzipiertes ERP – mit anderer Datenhaltung, anderer Denkweise, anderer Performancephilosophie.

Wer nur migriert, aber weiterhin in Z-Coding, alten Modulmauern und transaktionszentriert denkt, wird keine echten Vorteile erleben.
Wer Architektur, Datenmodell und Prozesse neu denkt, wird mit Performance, Stabilität und Zukunftsfähigkeit belohnt.

ECC auf HANA ist ein Zwischenschritt.
S/4HANA ist ein Systemwechsel.